Sehr geehrter Mandant – sehr geehrter Leser – sehr geehrter „Freund des Steuerrechts 😉 „

In den folgenden Zeilen gehen wir auf wesentliche und zeitnahe Bereiche des Steuerrechts ein. Dieses kann sowohl Gesetzesänderungen als auch neue Entwicklungen in der Rechtsprechung oder sonstige Rechtsanwendung betreffen.

Folgende Themenbereiche:

  • 1. Umsatzsteuer, Lieferschwelle, One-Stop-Shop (OSS)
  • 2. Corona Soforthilfe 2020 – Rückmeldeverfahren – Prüfung durch die Finanzbehörden

Unsere Hinweise haben keinen Anspruch auf absolute Tiefe; sie sollen eher eine gemeinsame Diskussion zwischen Ihnen und uns fördern. Bei weiterem Klärungsbedarf, Fragen oder zu diskutierenden Handlungsbedarf senden Sie einfach eine kurze Info an uns. Wir freuen uns auf Sie.



Themenbereich 1. Umsatzsteuer, Lieferschwelle, One-Stop-Shop (OSS)

Lieferschwellen und umsatzsteuerliche Neuerungen für den Versandhandel und Onlinemarktplätze

In der folgenden Ausführung finden Sie eine Kurzdarstellung zu den seit dem 1. Juli 2021 neu festgelegten umsatzsteuerlichen Regelungen im Versandhandel. Gleich zu Beginn ein Vergleich der bisher geltenden umsatzsteuerlichen Verfahrensweise – insbesondere im Hinblick auf Lieferort(e) und -schwellen – zu dem jetzt gültigen Gesetzesstand. Da es sich bei der jetzigen Regelung auch stark um eine Weiterentwicklung bzw. Ergänzung bisheriger Details handelt, halte ich diesen Vergleich für sinnvoll. Ebenso können „eventuell und im Zweifel“ bisher im Rahmen der Neuregelung noch nicht definierte Fragen, dem vor dem 1. Juli 2021 geltendem Recht analog entnommen werden (aber Vorsicht!!)

Begrifflichkeiten:

So definierte die Kommission bereits zur Entstehung des vorherigen Prinzips die europäische Versandhandelsregelung:

Fernverkauf von Gegenständen / Special scheme of distance selling

Fernverkauf bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger Gegenstände (Waren) an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Privatpersonen oder Kunden verkauft, die auf ihren innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen keine Mehrwertsteuer anwenden. Der Lieferant sorgt für die Beförderung der Gegenstände an die Kunden. Ein typisches Beispiel dafür ist der Versandhandel.

Derartige Lieferung unterliegen der Mehrwertsteuer im Bestimmungs- bzw. Verbrauchsmitgliedstaat, sobald in diesem Mitgliedstaat ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird.

Die in den Mitgliedstaaten geltenden Schwellenwerte sind in dem Informationsdokument der Kommission „MWSt in der europäischen Gemeinschaft“ oder Mehrwertsteuerschwellenwerte angegeben.

Bisher   

Versandhandelsregelung

Gültige Lieferschwelle für jeden einzelnen EU-Staat (35 TE – Ausnahmen: NL und Luxemburg: jeweils 100 TE)

Abführung der ausländischen MWSt im jeweiligen Staat (Registrierung/en erforderlich)

Neu

Fernverkaufsregelung

Gesamtlieferschwelle unter Einbezug aller EU-Staaten in Höhe von 10 TE

Abführung der ausländischen MWSt zentral an das Bundeszentralamt für Steuern ( BZSt) (Freiwillig, auch wenn die Schwelle nicht erreicht wird)

Einzelfragen:

Die Bedeutung des Leistungsortes für die Umsatzsteuerpflicht

Definition vor Versandhandelsregelung:

Die Umsatzsteuerpflicht besteht in Deutschland, wenn sich der Leistungsort im Inland befindet. Gerade im Versandhandel erfolgt die Lieferung an dem Ort, an dem sich der Liefergegenstand zu Beginn der Beförderung befindet. Diese klare Beschreibung betrifft u. a. das Lager, in dem der Gegenstand zum Zeitpunkt der Übergabe – z. B. an einen Spediteur – untergebracht war.

Mit der Einführung bereits der Versandhandelsregelung ergab sich bei dem sog. grenzüberschreitendem Versand an Verbraucher (Business to Consumer (B2C) also nicht Unternehmen bzw. Kunde ohne UID (das können z. B. Kommunen sein)) innerhalb der EU eine anderslautende Regelung. Wurde eine bestimmte Lieferschwelle (Netto-Umsatzwert in teilweise unterschiedlicher Höhe je Mitgliedstaat) überschritten, ging das Recht zur Umsatzbesteuerung auf dieses Land über. Das Deutsche Finanzamt war „draußen“; an dessen Stelle trat das Land, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Hierzu nochmals das USt-Gesetz:

Ort der Lieferung in besonderen Fällen (§ 3 c UstG):

Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten (1) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats (2) befördert oder versendet, so gilt die Lieferung (nach Maßgabe der Abs. 2-5: Abnehmereigenschaft des Kunden = Nichtunternehmer / keine UID (3) sowie Überschreiten der Lieferschwelle (4)) dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.

(Anm.: Bei (1) bis (4) handelt es sich hier um die gesetzlichen Tatbestände, die als Voraussetzung für die Rechtsanwendung / Konsequenzen (dort ausgeführt – endet) vorliegen müssen.)

Die Folge war: Es musste in jedem Land – in dem die Lieferschwelle überschritten wurde – eine USt-Nr. beantragt, die USt-Erklärung abgegeben und auch dort bezahlt werden. Das wird zukünftig – sofern es sich nicht um Verbrauchsteuern (!) handelt – wieder etwas einfacher werden; bleibt uns aber aus Sicht der Umsatzsteuer im Sinne einer „Erwerbsbesteuerung“ erhalten.

Der Leistungsort bekam (und bekommt es auch weiterhin) eine noch differenziertere Bedeutung, wenn eine Handelsplattform (z. B. Amazon = A) „dazwischengeschaltet“ wird. Hier ergeben sich die folgenden Beispiele:

Sachverhalt 1) – Logistikzentrum in Deutschland (D)

Der Versandhändler (VH – Unternehmenssitz in D) lagert sein Warenlager im deutschen Logistikzentrum von A. Dieser liefert bei Versandbeginn in Deutschland; erst wenn Lieferschwellen überschritten werden, erfolgt die Besteuerung (steuerbar und -pflichtig) nicht mehr im Inland, sondern im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Sachverhalt 2) – Logistikzentrum in den Niederlanden (NL)

  1. Kunde aus den NL

Der Ort der Lieferung befindet sich dort, wo die Beförderung beginnt; also in den Niederlanden (§ 3 Abs. 6 UStG). Die Lieferschwelle verliert ihre Bedeutung; der Ort der Lieferung befindet sich in den NL und somit auch die inländische Steuerpflicht (also: Registrieren in den NL).

Das rechtsgeschäftslose Verbringen der Ware aus D in die NL stellt eine sogenannte fiktive innergemeinschaftliche Lieferung dar.

  • Kunde wohnt in Frankreich (F)

Der VH war damit einverstanden, dass seine Waren im Logistikzentrum in den NL eingelagert wurden. Die Lieferung nach Frankreich beginnt somit in den NL und wäre dort steuerpflichtig. Wurde die Lieferschwelle nach Frankreich überschritten, findet die Besteuerung dort statt (Registrieren in den NL und F).

Das vorherige Verbringen der Waren von D in die NL stellt wiederum eine fiktive innergemeinschaftliche Lieferung dar; so lange wie der VH jedoch nicht in Frankreich registriert ist – und somit über keine UID verfügt – ist nach Auffassung der Finanzverwaltung dieser Vorgang ebenso steuerpflichtig!

Sachverhalt 3) – Ort des Logistikzentrums ist unbekannt

Der VH bemerkt auf den Gutschriften von A recht unorganisiert, dass seine Waren aus verschiedenen Logistikzentren (Polen, NL, Italien usw.) an den jeweiligen Endkunden geliefert werden.

Hier gelten die Erläuterungen zu 2) a. und b. – aber mit der Ergänzung, dass sich VH in allen Mitgliedstaaten registrieren lassen muss, a u s denen seine Kunden beliefert werden. Wird dann auch noch die Lieferschwelle eines anderen Mitgliedstaates „gerissen“, sind die Lieferungen in diesem Staat zu besteuern.

Für das Ermitteln der jeweiligen Lieferschwelle eines Staates werden die Umsätze aus den verschiedenen Lagern summiert. Es gilt der Grundsatz, dass jeder Unternehmer nur über ein Unternehmen verfügt. Wo ein Umsatz stattfindet, hat insofern keine Bedeutung.

Generell: Entscheidend für den Ort der Lieferung innerhalb der EU ist der Ort des Beginns des Transports von Waren; nicht der Unternehmenssitz des Händlers. Die Tätigkeit des Händlers – initiieren des Transports an private Verbraucher oder Nichtunternehmer (keine UID) – stellt den Fernverkauf dar.

Konsequenz: Onlinehändler aus einem Drittland, die ein Warenlager in Deutschland betreiben, können ebenso die Möglichkeiten des nachfolgend dargestellten OSS nutzen.

An dieser Stelle: Näheres zum One-Stop-Shop (OSS), EU-Regelung

Die Ausführungen auf der Interseite des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt)

https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Umsatzsteuer/One-Stop-Shop_EU/one_stop_shop_eu_node.html

beginnen mit folgender Ausführung:

Das Verfahren One-Stop-Shop – Die EU-Regelung ist die Weiterentwicklung des Verfahrens Mini-One-Stop-Shop. Es ist eine Sonderregelung auf dem Gebiet der Umsatzsteuer und richtet sich an Unternehmer, die im Inland ansässig sind, sowie an andere berechtigte Unternehmer.

Sie ermöglicht es registrierten Unternehmen, ab dem 1. Juli 2021 ausgeführte und unter die Sonderregelung fallende Umsätze in einer Steuererklärung zentral an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln (Ergänzung: … und auch zu zahlen).

Eine spätere Registrierung ist möglich, entfaltet jedoch ihre Wirkung erst für Besteuerungszeiträume nach Vornahme der Anmeldung.

Die Nutzung des OSS ist freiwillig. Bisher erforderliche einzelne Registrierungen in den jeweiligen Bestimmungsländern der EU sind somit nicht mehr erforderlich; können aber laut BMF-Schreiben vom 1. 4. 2021 beibehalten bleiben.

Für die Antragstellung steht auch der Link  BZStOnline-Portal  zur Verfügung.

Es sind zwingend alle Fernverkäufe innerhalb der EU einheitlich über den OSS abzuwickeln.

Zusammenfassung der Vorteile gegenüber der vorherigen Regelung:

  • Keine umsatzsteuerliche Registrierung im Ausland erforderlich,
  • Für den grenzüberschreitenden Versand an private Erwerber ist keine „ordnungsgemäße“ Rechnung erforderlich.
  • Die Meldung – und somit auch Zahlung (Frist von 30 Tagen) – von Umsatzsteuern wird quartalsmäßig abgewickelt.

Weitere Einzelfragen

  1. Schnittstellen zwischen Rechnungswesen und dem BZSt

Leider sind derzeit noch keine Schnittstellen für den direkten Übertrag der Meldungen aus Buchhaltungsprogrammen vorhanden. Es mangelt noch an Schnittstellenbeschreibungen von Seiten des BZSt. Es ist anscheinend noch nicht bekannt, wann hier mit mehr „Automatik“ gerechnet werden kann.

2. Möglicher Ausschluss von der OSS-Regelung:

Die OSS-Meldung / Deklaration wurde in 3 aufeinanderfolgenden Quartalen zu spät abgegeben bzw. bezahlt und dieser Mangel wurde innerhalb von 10 Tagen nach Mahnung nicht beseitigt.

Weitere „wiederholte Verstöße“ mit der Folge eines Ausschlusses werden sicherlich noch bestimmt.

3. Folgen des Brexits

Großbritannien als nunmehr sog. Drittland fällt nicht mehr unter diese Bestimmungen. Hier ist jetzt ohne Möglichkeit einer Nutzung von Lieferschwellen oder Freigrenzen eine mehrwertsteuerliche Registrierung bei der britischen Finanzbehörde „HMRC“ zu beantragen.

4. Berichtigung von Dokumenten oder Rechnungen, wenn auch nach Registrierung zum OSS fälschlicherweise deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen wird:

Wird weiterhin irrtümlich deutsche MWSt ausgewiesen, wird diese nach § 14c UStG – neben der „Auslandsteuer“ – geschuldet. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Rechnungen zu berichtigen. Nach bisher gültiger BFH-Rechtsprechung ergibt sich aber bei Gefahr einer 6-%igen Verzinsung (anno) keine Rückwirkung.

5. Fulfillment by Amazon (FBA)

Und jetzt noch einmal zurück zu Amazon (FBA – und ähnliche Strukturen):

Wie bereits zu den vorstehenden Sachverhalten 1) und 2) beschrieben, sollen dem Onlinehändler durch derartige Organisationsstrukturen effizientere Lager- und Lieferkosten bzw. dem Endkunden schnellere Lieferzeiten ermöglicht werden. Das ausliefernde Logistikzentrum mit der Ware des Händlers befindet sich im „Land des innergemeinschaftlichen Kunden“. Zusätzlich besteht die das geltende Recht nicht gerade vereinfachende Möglichkeit, dass Waren bereits von einem Lager in ein weiteres EU-Lager umgelagert.

Umsatzsteuerlich bedeutet dieses Umlagern gleichzeitig ein innergemeinschaftliches Verbringen und im Bestimmungsland einen innergemeinschaftlichen Erwerb. Hieraus resultiert ergänzend zur Nutzung des OSS die umsatzsteuerliche Registrierung als Folge der Umlagerung im jeweiligen EU-Ausland (hier Anmeldung innergemeinschaftliches Verbringen sowie innergemeinschaftlicher Erwerb).

In der überwiegenden Zahl der Fallsituationen sollten die Fernverkäufe über das OSS geregelt werden. Würden diese über die jeweiligen Registrierungen in den betroffenen EU-Staaten gemeldet, wäre eine parallele Nutzung des OSS ausgeschlossen (siehe vorstehend).

Fortsetzung folgt 😉

Soweit der Einstieg in das angepasste OSS-Verfahren. Ergänzungen zu intensiveren Regelungen und Fragen wie z. B. zur Reihengeschäftsfiktion oder auch der direkten Steuerschuldnerschaft für Betreiber von Onlinemarktplätzen folgen in Kürze.

Bei mit Sicherheit schon jetzt bestehenden – und mit der zukünftigen Rechtsanwendung wachsenden – Einzelfragen klären wir die Probleme gerne gemeinsam mit Ihnen.

Weitere erläuternde Rechtsquellen zur zweiten Stufe des MWSt-Digitalpakets (JStG 2020) mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021:

Schreiben des BMF vom 1. 4. 2021

Explanatory Notes on VAT e-commerce rules

„Vademecum zu den Mehrwertsteuerpflichten“ der Europäischen Kommission als Informationsquelle für Verfahren und zuständige Behörden

sowie verschiedene Kommentare zur Steuerliteratur.
hfs – 15.08.2021


Themenbereich 2 – Corona Soforthilfe 2020 – Rückmeldeverfahren – Prüfung durch die Finanzbehörden

Auf Basis einzelner Rechtsvorschriften wurden die Formulare zu verschiedenen Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2020 angepasst bzw. ergänzt. So ist anzugeben, ob und in welcher Höhe Soforthilfe empfangen wurde. Diese Kontrollangabe soll es den Finanzbehörden erleichtern, ob die erhaltene Soforthilfe in den jeweiligen Gewinnermittlungen hinlänglich angegeben und somit auch erfasst worden ist.

Letztlich ist dieses eine Ergänzung zu der angepassten Mitteilungsverordnung. Nach dieser müssen die verschiedenen Antragsstellen der einzelnen Bundesländer die bewilligten und ausgezahlten Zuschüsse den Finanzämtern (somit einschließlich Betriebsprüfungen) melden.

Diese Ergänzung kann eine – bei Nichterfassung – weitreichende Konsequenz haben. Durch die Unterschrift bzw. Bestätigung der „Richtigkeit“ der Steuererklärung ist hiermit auch Höhe und Inhalt der Betriebseinnahmen erfasst. Fehlen hier Einnahmen – also auch die Soforthilfe – befindet sich der „Steuerpflichtige“ schnell im Ordnungs- oder Strafverfahren.

Hier wird auch im Zweifel eine Ausrede „da habe ich die Umsatzsteuer (kein echter Leistungsaustausch – also keine Angabe) mit der Einkommen- od. Körperschaftsteuer verwechselt“.

Ergänzend zu dieser Sitution „hört man“ aber auch die Ansage, dass die Finanzbehördern die inhaltliche Richtigtkeit der Soforthilfe prüfen. Das ist bisher nicht Gesetzesstand und kann auch von den Finanzämtern schwerlich im Sinne einer „allgemeinen Gleichheit der Besteuerung“ geleistet werden.

Weitere Hinweise zu dem Thema „Corona“ sind an dieser Stelle nicht vorgesehen. Die Anzahl der Hinweise – auch im Internet – durch z. B. das Finanzmininsterium oder Landesbehörden ist bereits sehr vielfältig. Wir konzentrieren uns nach wie vor sehr stark auf die intensive Beratung und Mithilfe in mandantenbezogenen Einzelfällen (Soforthilfe / Ü-Gelder usw.). Hierzu zählt selbstverständlich auch die Beantragung von KfW-Mitteln oder Erstellung von Budgets bzw. Geschäftsplänen im Sinne einer Beherrschung von nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der Pandemieeffekte.

hfs – 15.08.2021